Alles begann mit einer
außergewöhnlichen Mail, die ich eines Sonntags morgens im November in meinem
Posteingang fand. „Are you a relative?????“, stand in der Betreffzeile und mit
„Cheers“ grüßten Peter and Bernadine Hupfeld aus Kangaroo Island. Ihr „great
Grandfather“ sei William Zimmermann Hupfeld, geboren im Jahre 1835 in einem Ort
in Hessen, den ich noch nie gehörte hatte, Gernrode in der Nähe von Leinefelde.
Er sei nach Australien gekommen, habe im Jahre 1855 Fanny Penfold geheiratet
und die beiden hätten 16 Kinder bekommen. Sie (Peter und Bernadine) seien im
vergangenen Jahr in Deutschland gewesen, jedoch habe ihre Suche nach Familieninformationen keinen Erfolg
gehabt. Sei ich vielleicht eine der der zwei Hupfelds mit dem Vornamen
„Renate“, die sie unter den 400 Namen im Internet gefunden hatten? Und selbst,
wenn nicht, würden sie sich über eine Antwort freuen, auf dem Foto sähe ich ja
ganz „fit“ aus. Und dann der Knaller: „Do you travel?“ und eine Einladung zum
Aufenthalt auf ihrer Farm.
Keine Frage: Eine Reise
nach Kangaroo Island konnten wir uns vorstellen. Ob wir mit Peter and Bernadine
Hupfeld verwandt waren? Das war nun ein Fall für meinen Schwiegervater Erwin
Hupfeld, geboren im hessischen Dorf Abterode
am Meißner in der Nähe von Germerode. Erwin war bei der Erforschung seiner
Ahnen Kirchenbüchern den Wurzeln der Hupfelds bereits auf die Spur gekommen und
hatte nicht eher Ruhe, bis er eines Nachts die Herkunft des Stammvaters der
australischen Hupfelds herausgefunden hatte. Peters Urahn war Friedrich Wilhelm
Hupfeld und wurde im Januar 1845 in Germerode am Meißner geboren, nur wenige
Kilometer von seinem eigenen Heimatdorf und von Weidenhausen entfernt.
Das war eine faszinierende
Entdeckung. Großzügig betrachtet waren wir tatsächlich „relatives“. Nun gingen
die Mails zwischen deutschen und australischen Hupfelds hin und her. Da wurde
auf beiden Seiten der Weltkugel recherchiert, wurden Erkenntisse gewonnen und
Informationen ausgetauscht.
Die Story der Hupfelds in
Australien begann mit einer Urkunde vom 15. März 1845, mit der dem Bergmann
Johann Nikolaus Zimmermann aus Germerode von der kurfürstlichen Regierung der
Provinz Niederhessen die Entlassung aus dem kurhessischen Untertanenverband
gewährt wurde, um zusammen mit seiner Familie nach Nordamerika auszuwandern. Am
2. April 1845 wurde dem Germeröder das Schriftstück ausgehändigt und keine drei
Wochen später befand sich Johann Nikolaus Zimmermann mit seiner Frau Anna
Elisabeth, geborene Schülbe, verwitwete Hupfeld, deren 10-jährigem Sohn aus
erster Ehe Friedrich Wilhelm Hupfeld und dem gemeinsamen 2-jährigen Sohn
Johannes Zimmermann im dicht besetzten Zwischendeck eines Dreimastseglers. Unter
Kapitän Eugen Laun verließ die „Heerjeebhoy
Rustomjee Patel“ am 21. April 1845 den Bremer Hafen. Die Fahrt ging allerdings
nicht nach Nordamerika, wie in der Urkunde vermerkt, sondern nach Australien,
wo das Schiff nach fünf Monaten, am Donnerstag, dem 18. September 1845, den
Hafen von Adelaide erreichte. Zwei Tage später berichtete die südaustralische
Zeitung:
„Wir
geben die Ankunft der lang erwarteten „Heerheebhoy Rustomjee Patel“ aus Bremen
bekannt, mit 262 Deutschen Einwanderern, nach einer Reise von 117 Tagen [Anmerkung:
150 Tage!!!] von Hafen zu Hafen. Ihre Überfahrt
war durchweg angenehm und glücklich, mit Ausnahme von vergangenem Sonntag, als
das Wetter so rau und stürmisch, dass das Schiff starke Schlagseite hatte und
selbst die Matrosen zugaben, dass sie für einige Stunden in einer
beträchtlichen Gefahr waren. [ … ] Während der Überfahrt wurden sieben Kinder
geboren und elf Personen starben, hauptsächlich alte Menschen und sehr junge
Kinder. “
Familie Zimmermann hatte
die Strapazen der langen Schiffsreise überstanden und befand sich nun fern der
deutschen Heimat, um in Südaustralien ein neues Leben zu beginnen. Warum sie
die hessische Dorfidylle zu Füßen des Meißnerberges verlassen hatte, kann man
nur ahnen. Es mögen politische oder religiöse Gründe gewesen sein, vermutlich
jedoch wirtschaftliche. Missernten, Arbeitslosigkeit und Ausbeutung im
monarchisch geprägten Deutschland machten den Menschen schwer zu schaffen. Für
viele war Auswanderung der einzige Weg aus der bitteren Armut. Als Bergmann
hatte Johann Nikolaus Zimmermann gute Aussichten, in der 150 Kilometer nördlich von
Adelaide gelegenen Kupfermine in Burra
Arbeit zu finden.
Sein Stiefsohn Friedrich
Wilhelm wurde William Hupfeld Zimmermann genannt. Er wuchs heran, wurde Farmer
und kaufte Land in dem kleinen Ort Virginia, wo er Getreide anbaute und Schafe
hielt. Den Namen Hupfeld führte er erst nach der Beurkundung seiner
australischen Staatsbürgerschaft, die er benötigte, um zu heiraten. Am 9. Mai
1855 wurden der 20-jährige Friedrich Wilhelm Hupfeld und die 16-jährige Fanny
Penfold, aus England eingewandert, in der S. George’s Church in Gawler getraut.
Friedrich Wilhelm und Fanny Hupfeld bewohnten und bewirtschafteten eine Farm im
nahe gelegenen Peachy Belt, später Penfield genannt. Sie bekamen sechzehn
Kinder, von denen die ersten drei im frühesten Kleinkindalter starben und
insgesamt nur neun das Erwachsenenalter erreichten.
Die Nachfahren von
Friedrich Wilhelm und Fanny Hupfeld haben in Zeiten des Internets zueinander
gefunden, tauschen Informationen aus und veranstalten regelmäßige
Familientreffen. Wir Hupfelds in Deutschland wurden in die Familienkommikation
voll integriert und zu der Einladung nach Kangaroo Island kam eine auf die Farm
von Janette und Russell Hupfield in den Hügeln von Mountain View unweit von
Melbourne hinzu.
Getreu dem Motto „Do you
travel?” machten sich Renate und Walter Hupfeld aus Hamm in Westfalen an einem
Sonntag im Januar 2007 auf die Socken zu den Spuren der Auswanderer aus Hessen auf
dem fernen Kontinent. Geplant war eine Tour von Sydney bis Adelaide mit jeweils
einigen Tagen Aufenthalt bei den australischen Verwandten, das heißt bei
Melbourne einen Abstecher zur Farm von Janette und Russell in Mountain View und
bei Adelaide einen zu der von Peter und Bernadine auf Kangaroo Island.
[...]
[...]
Ein Taxi bringt uns für 15
$ zu Britz in die Gardeners Road 653, wo wir den gebuchten Camper abholen. Es
ist schon fast Mittag, als wir Sydney in südliche Richtung auf dem Princes Highway
verlassen und feststellen, dass Linksfahren unerwartet gut geht und wir mit
unserem gemäßigten Tempo niemandem ein Ärgernis sind.
Nach einer guten halben
Stunde biegen wir nach links ab in den Royal National Park. An einem Schrankenhäuschen
werden wir angehalten, müssen aber nichts bezahlen, weil wir nur durch fahren.
Die geteerte Straße führt zu einer Picknick Area, wo wir parken und erst einmal
die ungewohnten Ausmaße unseres bewohnbaren fahrbaren Untersatzes auf uns wirken
lassen. Bei der Gelegenheit können wir an der Idylle jenseits der Großstadt
erfreuen.
Den nächsten Stopp machen
wir auf dem Bald Hill, also in einer etwas höher gelegenen Region. Der Pacific
Ocean ist tief unten zu sehen und in einiger Entfernung die kühn entlang der
Felsküste gebaute Hochstraße, auf der wir nachher fahren werden. Zusammen mit
vielen anderen Outlookern beobachten wir die Aktivitäten der Paraglider.
Die Küstenstraße „Grand Pacific
Drive“ führt uns über besagte „Sea Cliff Bridge“ und im weiteren Verlauf durch kleine Orte mit
Ferienbetrieb und gut besuchten Stränden. In der Nähe von Wollongong gelangen
wir zurück auf den Princes Highway, der mit unseren Autobahnen nicht zu
vergleichen ist, denn er führt durch die Orte. Viele beginnen mit einem
längeren Straßenabschnitt gesäumt von Geschäften, kleinen Industrie- und
Imbissbetrieben. Auf einem Parkstreifen halten wir an und besorgen uns bei
Fish’n Chips ein gebratenes Hähnchen. Mit dieser Köstlichkeit weihen wir gleich
die Essecke im Camper ein. So gut isst es sich in Down Under am Straßenrand.
Dann fahren wir ungefähr 40
km bis Kiama, wo wir unterhalb des Leuchtturms parken und von wo ein Weg zum
viel beschriebenen Blowhole führt, das aber die berühmte Fontäne wegen
mangelnder Brandung nicht bieten kann. Noch ein kurzer Gang in den kleinen
Hafen, Möwen, Angler und Surfer beobachten.
Wir fahren noch bis zum
Eintritt der Dämmerung und finden einen Schlafplatz in der Nähe des Lake
Conjola, allerdings nicht am See, weil dessen Ufer mit Ferienanlagen gesäumt
ist, sondern einige Meter oberhalb des Highway am Rande eines Wäldchens, aus
dem mediterranes Gezirpe zu hören ist.
[...]
Für die federleichte Bibliothek: Australien Reisebericht - Sydney bis Adelaide
[...]
Nach einer Mütze Schlaf begrüßt
uns der Morgen jung und frisch mit Sonnenschein. On the road again gegen 8:30
pm. Auf dem Highway (Höchstgeschwindigkeit 100 km/h) ist es ruhig. Er ist
weitgehend einspurig. Rasen ist out in Down Under. Wir durchfahren den Ort Ulladulla,
machen einen Schwenker zur Pebbly Beach, wo wir um diese Zeit natürlich keine
Känguruhs sehen, aber im Ocean baden können. Weiter fahren wir bis zum kleinen
Hafen von Batemans Bay, wo wir im Woolworth Supermarkt Getränke, Obst,
Croissants und Muffins kaufen und den Kühlschrank im Camper einweihen.
Einige Kilometer südlich
besuchen wir „Old Mogo Town – Gold Rush Theme Park“, detailgenaue Nachbildung
eines historischen Goldgräberdorfes aus dem 19. Jahrhundert, in dem seinerzeit
Goldsucher gewohnt, gelebt und geschürft haben. Alles wird liebevoll zelebriert,
vom Wohnhaus mit den verschiedenen Räumen, Zelten der Arbeiter, Restaurant,
Postoffice, Maschinen zum Zerkleinern des Gesteins, der Mühle und natürlich der
Goldwaschanlage, an der wir diese Kunst selbst ausprobieren dürfen.
Weiterfahrt mit Pausen in
Quaama und Bega Valley Lookout. Zum Dinner bekommen wir Calamari bei Fish’n
Chips in Tathra Beach und dann geht’s wieder ans Schlafplatz suchen. Camping ist
hier in Strandnähe verboten, also woanders schauen. National Parks sind immer
gut zum Campen, das wissen wir noch von unserer Canadareise. Zum Bournda National
Park ((7$) ist es nicht weit. Und dann wird es endlich wahr, ganz überraschend
in dem Moment: Links am Straßenrand das typische Schild mit dem australischen
Beuteltier in schwarzer Farbe auf gelbem Grund. Sogleich müssen wir uns
gegenseitig fotografieren. Kurz darauf wird es noch schöner: Zwei wirklich frei
lebende Kängurus stehen unter einem Baum und beobachten uns. Ganz freundlich
sehen sie aus, ein bisschen neugierig, sympathische Tierchen. Einen Schlafplatz
finden wir in der Nähe des Wallagout Lake, dessen Ufer allerdings nicht zum
Abendspaziergang einlädt, total veralgt und glitschig ist es da.
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